QUBE
Quartierbezogene Energiekooperationen im Wesemlin
QUBE Newsletter März 2022
Zu Nahwärmeverbünden, Fortschritte in den Teilprojekten, städtischer Energiepolitik
Einleitung
Auch wenn der Krieg in der Ukraine uns zu Recht gerade stark beschäftigt, wird die Klimakrise nicht weniger bedrohlich. Sie haben sicher auch davon gelesen: Der neueste Bericht vom Weltklimarat (IPCC), der Ende Februar erschienen ist, zeichnet ein düsteres Bild unserer Lage (z.B. hier). Die Folgen der Klimaerhitzung setzen rascher ein und sind heftiger als bisher angenommen wurde. Weltweit leben 3.5 Milliarden Menschen in Bedingungen, in denen sie sich kaum vor den vielfältigen negativen Folgen werden schützen können. Und das Zeitfenster, in dem wir noch Gegensteuer geben können, ist sehr klein geworden. Wir müssen schon bis 2030 unseren Treibhausgasausstoss massiv senken, wenn wir die wirklich katastrophalen Folgen abwenden wollen. In QUBE ist das genau unser Ziel: Handeln!
Im Forschungsprojekt QUBE geht es darum, durch Kooperationen und dezentrale Energieverbünde auf Quartierebene den Umstieg auf erneuerbare Energien zu erleichtern und damit einen lokalen Beitrag zur Energiewende und zur Verringerung des CO2 Ausstosses zu erbringen.
In diesem Newsletter erwarten Sie folgende Themen:
- ein Interview mit Erich Lottenbach, einem der Wirtschaftspartner im QUBE Projektteam, über die Herausforderungen von Wärmeverbündeneinige
- Informationen und Überlegungen zur aktuellen Energiepolitik der Stadt Luzernein
- Überblick über den aktuellen Stand der Teilprojekte in QUBE
Zuletzt noch eine Vorankündigung: Am 27. September 2022 wird ein QUBE Workshop für alle Interessierten stattfinden, an dem wir uns über Ergebnisse und Erkenntnisse austauschen möchten.
Interview mit Erich Lottenbach:
«Die Notwendigkeit zur Energiewende wurde lange ignoriert»
Für diesen QUBE Newsletter haben wir ein Gespräch mit Erich Lottenbach geführt, der als Miteigentümer und Geschäftsführer beim HLKS-Planungsbüro ZURFLUH LOTTENBACH GMBH einer der Wirtschaftspartner im QUBE Projektteam ist. Als HLK Ingenieur FH bringt er viel fachliches Know-How ins Projekt, als Bewohner des Wesemlin-Quartiers kennt er die lokalen Begebenheiten sehr gut. Wir haben mit ihm über QUBE und über die Herausforderungen von Nahwärmeverbünden gesprochen, da solche Netze oft eine gute Lösung für die Heizungsfrage sein können.
Chris Young (HSLU): Erich, was ist Dein beruflicher Hintergrund, den Du ins Projekt QUBE mitbringst?
Erich Lottenbach: Im Jahr 1991 habe ich am damaligen Technikum in Horw mein Ingenieur-Studium abgeschlossen. Die ersten 10 Jahre nach dem Diplomabschluss baute ich bei einer ausführenden Firma und bei einem Planungsbüro meine Erfahrungen in der Gebäudetechnik auf. Benno Zurfluh und ich gründeten 2001 ein unabhängiges Ingenieurbüro für die Planung von Anlagen im Bereich der Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Energietechnik.
CY: Aus welchen Gründen findest Du es lohnenswert, bei QUBE mitzumachen?
Erich Lottenbach: Schon seit Beginn der Tätigkeit in unserem Planungsbüro sind wir der Überzeugung, dass nach den etwas mehr als 100 Jahren Öl, Gas und Kohle neue, nachhaltige Energieträger erforscht und erschlossen werden müssen. Leider wurde die Notwendigkeit zur Energiewende trotz dem seit langem sichtbaren Klimawandel und einigen Energiekrisen und -kriegen nicht erkannt oder ignoriert. Nun, da die Sensibilität aber auch die Dringlichkeit gestiegen ist und viele Programme für eine nachhaltige Energiezukunft initiiert werden, ist es für uns selbstverständlich teilzunehmen und unsere Fachkenntnisse einzubringen.
CY: Eine der Technologien, auf die wir in QUBE setzen sind Nahwärmeverbünde. In drei Teilprojekten im Wesemlinquartier prüfen wir, ob ein Nahwärmeverbund eine gute Lösung für die Wärmeversorgung wäre. Könntest Du kurz skizzieren, was es für technische Varianten von Nahwärmeverbünden gibt?
Erich Lottenbach: Ein Wärmeverbund ist immer dann sinnvoll, wenn die Realisierung einer grossen gemeinschaftlichen Wärmeerzeugungsanlage Vorteile gegenüber kleinen Einzelanlagen hat.
Dabei können verschiedene Aspekte ausschlaggebend sein:
- Das Erstellen und der Betrieb einer grossen Anlage ist wirtschaftlicher
- Es ist eine geeignete zentrale Energiequelle vorhanden (z.B. Abwärme aus einer Verbrennungsanlage oder einem Industrieprozess, ein zentrales Areal für ein Erdsondenfeld, eine zentrale See- oder Grundwasserfassung usw.)
- Die Emissionen einer Anlage können an einem wenig sensiblen Standort konzentriert werden (z.B. eine Holzfeuerungsanlage am Rande eines Siedlungsgebiets)
Vergleichbar mit einer normalen Haus-Zentralheizung wird die Wärmeenergie durch Wasser über Rohrleitungen vom Produktionsort zu den Verbrauchern transportiert. Bei einem Hochtemperatur-Wärmeverbund kann die Wärmeenergie vom Bezüger direkt für die Gebäudeheizung und für das Erwärmen des Brauchwassers eingesetzt werden. Wenn ein Niedertemperaturnetz realisiert wird (auch Anergienetz genannt), muss für die Heizung und die Brauchwassererwärmung beim Bezüger eine Wärmepumpe installiert werden. Dafür steht dieses System dann auch für die Abgabe von unerwünschter Wärme (z.B. zur Raumkühlung im Sommer) zur Verfügung.
CY: Könntest Du erklären, welche Faktoren entscheidend dafür sind, ob der Bau eines Nahwärmeverbundes sinnvoll ist oder nicht?
Erich Lottenbach: Natürlich muss für die Realisierung eines Wärmeverbundes ein funktionierendes Geschäftsmodell vorhanden sein. Der Ertrag aus der Lieferung von Wärmeenergie muss betrachtet auf die Nutzungszeit der Anlage die Erstellungs- und Betriebskosten decken.
Weil neben den Kosten für die Wärmeerzeugungsanlage auch die Aufwände für die Wärmeverteilung (Rohrleitungen, Grabarbeiten, Durchleitungsrechte usw.) einen grossen Teil der Gesamtkosten verursachen, muss eine genügende Netzdichte vorhanden sein und die Abnahme der Wärmeenergie muss über die gesamte Nutzungsdauer gesichert sein.
CY: Verstehe ich richtig: Ein Nahwärmeverbund ist rentabler, wenn die Gebäude mehr Wärme verbrauchen? Besteht ein Spannungsverhältnis zwischen der Sanierung von Gebäuden und dem Einsparen von Energie einerseits, und der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen mit Wärmenetzen andererseits?
Erich Lottenbach: Klar, die Erneuerung oder Sanierung der angeschlossenen Gebäude und somit ein reduzierter Absatz von Wärmeenergie muss in der Wirtschaftlichkeitsberechnung eines Wärmeverbundes berücksichtigt werden. In der Realität können aber entsprechende Ertragseinbussen durch die Akquisition von neuen Wärmebezügern kompensiert werden.
Die Energieplanung der Stadt Luzern: Welche Folgen für QUBE?
Eine «Energieplanung 2.0» ist, was die Stadt anstrebt, sagt Thomas Scherrer der Dienstabteilung Umweltschutz der Stadt Luzern, der auch am Projekt QUBE beteiligt ist. Die Stadt Luzern überarbeitet gegenwärtig die Planungsgrundlagen im Bereich Energie. Da stellt sich auch die Frage, welche Folgen das für QUBE hat.
Der Richtplan Energie der Stadt Luzern wird mit den Resultaten aus der Energieplanung 2.0 aktualisiert. Diese wird für jeden Strassenzug der Stadt die bevorzugte technische Lösung für erneuerbare und CO2-freie Heizung und Kühlung festlegen. Denkbar ist z.B., dass diese Planung für einige Gebiete neue Wärmeverbünde vorsieht. Der Richtplan wird behördenverbindlich sein, Eigentümer*innen hingegen werden innerhalb der gesetzlichen Vorgaben weiterhin selber entscheiden können, welche Heizung sie bevorzugen. Um beim Beispiel zu bleiben: In einem Fernwärmegebiet werden für Eigentümer*innen eigene Wärmepumpen weiterhin eine Option bleiben. Im Herbst 2022 wird voraussichtlich über die neue Energie- und Klimastrategie abgestimmt. Nur wenn sie angenommen wird, wird auch der Richtplan Energie aktualisiert. Dies dürfte dann Anfang 2023 geschehen.
Was bedeutet das alles für Planungen innerhalb von QUBE oder für Planungen, die Sie vielleicht gegenwärtig für Ihr Haus anstellen? Ist es sinnvoll bis zum Vorliegen des aktualisierten Energierichtplans mit weiterer Planung abzuwarten? Aus Sicht des Projekts und auch der Stadt ist die Antwort klar Nein. Die Gründe sind folgende.
Für viele Gebiete wird die Aktualisierung vermutlich keine grossen Änderungen gegenüber dem geltenden Richtplan bringen. Falls aber doch, z.B. wenn ein Gebiet neu mit Fernwärme versorgt würde, gilt es immer noch zwischen einem Fernwärmeanschluss und einer anderen Lösung zu vergleichen. Wenn die laufenden Planungen weitergeführt werden, haben Sie Anfang 2023 bereits eine Entscheidungsgrundlage. Weiter muss bedacht werden, dass der Energierichtplan nur ein Schritt ist, bis jedoch ein allfälliger neuer Wärmeverbund gebaut wäre, ginge es vermutlich wieder Jahre. Schliesslich kommt die Unsicherheit des politischen Prozesses hinzu. Falls die Energie- und Klimastrategie abgelehnt wird, dauert es viel länger, bis ein neuer Energierichtplan ausgearbeitet ist. Schliesslich ist der vielleicht wichtigste Grund, dass es nicht so wichtig ist, welche erneuerbare Energiequelle Sie wählen, wichtig ist der rasche Wechsel weg von den fossilen Brennstoffen. Denn wir haben als Weltgemeinschaft wenig Zeit. Und die Notwendigkeit, die Abhängigkeit z.B. von Erdgaslieferungen schnell zu reduzieren, wird uns gerade drastisch illustriert.
Aktueller Stand der Teilprojekte
In QUBE haben sich über die Zeit verschiedene Teilprojekte mit je eigenen Fragen und Möglichkeiten ergeben. In den Teilprojekten «Gartenheim», «Kloster und Umgebung» und «Alter Friedhof» sind in den letzten Monaten einige Fortschritte erzielt worden. Für die interessierten Eigentümer*innen, die nicht in eines dieser Teilprojekte eingebunden sind, planen wir einen Austausch vor der Sommerpause.
Kloster Wesemlin mit Potenzial für ein Erdsondenfeld. Photo: Alex Willener
Teilprojekt «Gartenheim»
Die im vergangenen Herbst gegründete IG Gartenheim steht in intensivem Kontakt mit den Eigentümer*innen in der Gartenheim Siedlung und bringt viel Dynamik in dieses Teilprojekt. So treibt sie zusammen mit Mitgliedern des QUBE Teams den Austausch mit Bewilligungsbehörden der Stadt voran. Das Ziel ist, Klarheit beim Spielraum bzgl. Sanierungen oder Photovoltaik-Installationen in der denkmalgeschützten Siedlung zu schaffen. Nach einem ersten Gespräch mit Vertretern der Stadt ist für den April eine gemeinsame Begehung geplant. Ein weiteres aktuelles Thema ist die Prüfung der Machbarkeit eines Soleverbunds mit Erdsondenfeld. Kollegen der T&A führen dazu eine thermische Simulation durch, deren Ergebnisse in Kürze vorliegen werden. Schliesslich ist auch ein Sanierungsbaukasten mit einzelnen Massnahmen in den Bereichen Dämmung, Wärmeerzeugung und Photovoltaik erarbeitet worden. Dank einer laufenden Bachelorarbeit soll dieser Baukasten als Onlinetool zur Verfügung gestellt werden. Mit dem Online-Sanierungsbaukasten können Eigentümer*innen im Gartenheim vergleichen, welche finanziellen und energetischen Folgen verschiedene Sanierungsvarianten (schätzungsweise) für ihr Haus hätten.
Teilprojekt «Kloster und Umgebung»
Auch für dieses Teilprojekt wurde ein Wärmeverbund mit einem zentralen Erdsondenfeld und vier grossen Verbrauchern simuliert. Es wurden vier Varianten miteinander verglichen: ein Hochtemperaturnetz und ein Niedertemperaturnetz, je mit und ohne Regeneration des Erdsondenfelds. Die Ergebnisse zeigen, dass die verfügbare Dachfläche es nicht erlaubt, das Erdsondenfeld im Sommer vollständig mit Wärme wieder «aufzufüllen». Das System erfüllt jedoch die relevante SIA Norm, d.h. sie würde das Erdreich nicht zu stark abkühlen. Ein weiteres Ergebnis ist, dass die Niedertemperaturvariante bis zu 20% weniger Strom verbrauchen würde. Eine Abschätzung der Wirtschaftlichkeit wurde auch erstellt, ist aber noch in Prüfung. Sobald die technische und finanzielle Machbarkeit der verschiedenen Varianten geklärt ist, werden mit den institutionellen und privaten Eigentümer*innen die Möglichkeiten der Realisierung und der Trägerschaft dieses Wärmeverbunds diskutiert.
Teilprojekt «Alter Friedhof»
Das Teilprojekt «Alter Friedhof» hat später gestartet und ist in einer weniger fortgeschrittenen Phase. Hier sind neben eher kleinen Privatliegenschaften auch grosse Büro- und Schulgebäude beteiligt, die teilweise sehr alte Ölheizungen haben. Entsprechend gross ist der Handlungsdruck. In einem ersten Schritt ist der Gesamtwärmebedarf errechnet worden, nun werden Varianten geprüft: Erdsondenfelder, Hoch- und Niedertemperaturwärmeverbünde, PV und Kühlung. Seitens ewl wird im Rahmen der Planung der Versorgung des rechten Seeufers geprüft, ob das Gebiet des alten Friedhofs mit Seewasserwärme erschlossen werden kann. Der Aspekt der Kühlung scheint bei den momentanen Nutzungen immer wichtiger zu werden. Zuletzt wurden die Heiz- und Kellerräume der Gebäude besichtigt, um das Platzangebot für neue Anlagen zu prüfen. Auch hier werden die Eigentümerschaften wieder einbezogen, sobald die technische und finanzielle Machbarkeit geklärt ist.
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